Immer mehr Arbeitnehmer verzichten auf die Festanstellung mit allen damit verbundenen Sicherheiten, um ein Leben als digitale Nomaden zu führen.
Was bei vielen Unternehmen noch immer für Kopfschütteln sorgt, ist jedoch ein Trend, der sich insbesondere bei der sogenannten Generation Y weiter auswächst. Das Flugticket ist schnell gebucht, mit dem Laptop in der Tasche geht es dann vornehmlich nach Südostasien, wo sich die Hotspots der Weltenbummler-Freelancer befinden. Doch welche aufenthalts-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen hat diese Art des ortsunabhängigen Arbeitens eigentlich?
Relevante Statistiken über digitale Nomaden gibt es bislang keine, aber wer einmal in die Welt der Nomaden eingetaucht ist, der merkt, dass da etwas in Bewegung ist. Es sind zumeist Vertreter der Millennials, jener Generation der zwischen 1980 und 1997 geborenen, welche die Technologisierung der Welt quasi mit der Muttermilch eingesogen haben und mit der Realität der Globalisierung erwachsen geworden sind. Weil für sie das Internet nie Neuland war, werden sie oft auch als „Digital Natives“ bezeichnet. Sie sind bestens vernetzt – häufig auch international – gut ausgebildet und sind schon in sehr jungen Jahren viel und weltweit gereist. So ist es kein Zufall, dass sich weit mehr als die Hälfte (60 Prozent) dieser Generation sehr gut vorstellen kann, im Ausland zu arbeiten, wie eine Erhebung von Absolventa ergeben hat (siehe auch Grafik). Ein Teil von ihnen tut es bereits und arbeitet unter dem weitgehend neuen Terminus des digitalen Nomaden im Ausland. Deren Vertreter sind am häufigsten tätig in digitalen Berufen, denn für diese braucht es lediglich einen Laptop und W-Lan. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich in der Regel mit Affiliate-Marketing, Bloggen (vor allem Reiseblogs), Social-Media-Partnerschaften, E-Commerce sowie Webdesign und Programmierarbeiten (siehe auch Grafik). Viele von ihnen, wissen zwar, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen, aber wie es um ihre Steuer- und Sozialversicherungspflicht bestellt ist, dürfte den meisten kaum bekannt sein. Dies ist auch kein Wunder, denn für das Finanzamt und auch für die gesetzliche Krankenversicherung ist die Spezies der digitalen Nomaden noch weitgehend unbekannt, bestenfalls exotisch.
Wohnsitzabmeldung schützt nicht vor Steuerpflicht
Für die jungen Weltenbummler stellt sich zunächst die Frage nach dem eigenen Steuerstatus. Da die meisten von ihnen als Freelancer, Freiberufler, Gewerbetreibende oder Unternehmer Einkünfte erzielen, müssen sie neben der Frage, wo sie Einkommenssteuer zahlen müssen auch wissen, ob und wo sie möglicherweise Umsatzsteuer entrichten sollten. Zu glauben, dass mit der Wohnsitzabmeldung auch die Pflicht zur Zahlung von Einkommenssteuer endet, ist ein gewaltiger Irrtum. Nicht steuerpflichtig ist in Deutschland nur, wer erstens keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat und zweitens keine Einkünfte mehr in Deutschland bezieht.
Doch selbst wenn ein Nomade beim Amt abgemeldet ist, gibt es Indizien, die dafürsprechen, dass der Lebensmittelpunkt weiterhin in Deutschland besteht. Wer beispielsweise immer noch einen Schlüssel für die alte Wohnung oder das WG-Zimmer hat, kann darüber verfügen und hat somit noch eine enge Bindung an die alte Heimat. Und auch das Fortbestehen von Mitgliedschaften in Vereinen etwa oder von bestimmten Verträgen und Abonnements kann unter Umständen als Fortführung des Lebensmittelpunktes ausgelegt werden. Auch wenn Globetrotter nachweisen können, dass längst das Ausland zum Lebensmittelpunkt geworden ist, könnten sie weiterhin beschränkt steuerpflichtig in Deutschland sein, etwa wenn sie ein Einkommen aus einem in Deutschland nicht abgemeldeten Gewerbe beziehen oder eine Immobilie untervermietet haben. Nur wer nachweislich keine Einkünfte nach Paragraf 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) bezieht (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung, Kapitalvermögen oder selbstständige Arbeit) und keine Bindungen oder Verpflichtungen mehr in Deutschland hat, ist von der Steuerpflicht befreit. Es gibt Nomaden, die einfach auf eine Gewerbeanmeldung verzichten, aber dennoch Aufträge deutscher Firmen annehmen. Spätestens mit Rechnungsstellung an den Auftraggeber ist jedoch dokumentiert, dass Einkünfte in Deutschland erzielt wurden und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Finanzamt nachhakt und eine Steuererklärung verlangt. Eine Steuernachzahlung ist dann sicher, Steuerstrafen könnten unter Umständen ebenfalls folgen.
Wer sein in Deutschland angemeldetes Gewerbe im Ausland weiterbetreiben will, muss damit rechnen, dass dieses abgemeldet wird, wenn das Finanzamt erfährt, dass es keinen Wohnsitz in Deutschland mehr gibt. Es gibt aber Ausnahmen, wonach das in Deutschland registrierte Gewerbe aus dem Ausland weitergeführt werden kann. Eine davon ist der Nachweis einer Betriebsstätte. Diese kann auch ein Co-Working Space sein.
Umsatzsteuerpflicht für elektronische Leistungen
Digitale Nomaden erbringen – wie ihr Name schon andeutet – ihre Leistungen auf elektronischem Wege. Auch dafür ist in vielen Fällen Umsatzsteuer in Deutschland fällig, auch wenn es nach Paragraph 3 Abs. 4 Nr. 13 UStG Ausnahmen gibt. Ob Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus abgeführt werden muss, ist abhängig davon, an welchem Ort die Leistung erbracht wurde und welchen Steuerstatus der Dienstleister hat. Für gewöhnlich wird die Umsatzsteuer am Ort des Kunden beziehungsweise Auftraggebers fällig (siehe auch Grafik).
Ist letzterer ein Unternehmen aus Deutschland, muss ein digitaler Nomade auch in Deutschland Steuern zahlen, egal in welchem Teil der Welt er sich beim Erbringen der Leistung aufhält. Ist der Kunde in einem EU-Staat ansässig, müssen die Nomaden die Umsatzsteuer auch im Ansässigkeitsstaat des Kunden abführen. Kompliziert ist es, wenn Leistungen für Kunden im Drittstaat erbringen. Wer beispielsweise für eine Tauchschule in Thailand eine Webseite erstellt, müsste sich mit dem thailändischen Steuerrecht auseinandersetzen. In vielen Ländern ist es überdies üblich, dass mit Wohnsitznahme vor Ort und einer selbstständigen Tätigkeit auch die Pflicht zur Gründung eines lokalen Gewerbes einhergeht. Wer also im Ausland Geld durch vor Ort ansässige Unternehmen verdient, wird in der Regel auch dort Umsatzsteuer zahlen müssen.
Arbeitserlaubnis schwer zu beschaffen
In diesem Zusammenhang sollte sich Weltenbummler unbedingt auch mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Gastlandes auseinandersetzen. Wer sich als EU-Bürger an einem Nomaden-Hotspot innerhalb der EU niederlässt, muss sich darum keine Gedanken machen. Geht es jedoch nach Bali, Saigon oder Buenos Aires, benötigen Ausländer, die Geld verdienen wollen, mehr als ein Touristenvisum. Ohnehin erwarten die meisten Staaten von Personen, die sich nicht nur zu touristischen Zwecken dort aufhalten, eine melderechtliche Registrierung. Auch wenn sich all diese Fragen bei der Einreise am Flughafen noch gar nicht stellen, so kann dies spätestens bei der Ausreise der Fall sein. Denn eine problemlose Einreise bedeutet noch lange nicht, dass digitale Nomaden unter dem Radar der Behörden verschwinden. Tatsache ist: In keinem Land ist eine Erwerbstätigkeit – egal ab angestellt oder selbstständig – mit einem Touristenvisum erlaubt. In der Realität ist es für digitale Nomaden aber äußerst schwierig eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Thailand hat 2018 das sogenannte Smart Visa eingeführt, dass vier Jahre gültig ist und eine Erwerbstätigkeit ermöglicht. Es soll aber ähnlich schwierig zu beschaffen sein wie das Business Visa. Somit sind fast alle digitalen Nomaden in Thailand illegal tätig und können nur hoffen, dass die Behörden nicht investigativ unterwegs sind.
Ein weiterer Rechtsbereich, über den sich jeder potenzielle, temporäre Aussteiger Gedanken machen sollte, ist die Sozialversicherung. Die Grundregel ist einfach: Wer keinen Job und keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat, ist auch nicht mehr sozialversicherungspflichtig. In Sachen Krankenversicherung hat dies noch die geringsten Folgen, denn es gibt gute private Auslandskrankenversicherungen, die einspringen. Wichtig ist nur, dass sich Nomaden bei ihrer Krankenkasse abmelden. Grundsätzlich müssen sich GKV-Versicherte selbst darum kümmern. Sie sollten mit Verlassen Deutschlands nicht einfach aufhören, Beiträge zu zahlen, sondern sich aktiv beim Krankenversicherungsträger abmelden. Andernfalls droht eine Aufforderung zur Beitragsnachzahlung inklusive Säumniszuschlägen. Als Nachweis der Verlagerung des Lebensmittelpunktes kann die Abmeldebestätigung des Einwohnermeldeamtes oder die Versicherungspolice der Auslandskrankenversicherung dienen. Privat Versicherte sollten unbedingt mit ihrem PKV-Anbieter klären, ob dieser auch problemlos im Ausland weiter leistet – idealerweise ohne Aufpreis.
In Sachen Erwerbminderungs- und Altersrente sollten sich Weltreisende darüber bewusst sein, dass Lücken entstehen. So hat man etwa keinen Anspruch mehr auf Erwerbsminderungsrente, wenn man in den vergangen fünf Jahren länger als zwei Jahre am Stück keine Beiträge mehr abgeführt hat. Auch die Höhe des Rentenanspruchs sinkt mit jedem Monat, in dem keine Beiträge ins System eingezahlt worden sind. Es kommt selten vor, passiert aber immer mal wieder: Junge Menschen werden im Ausland zum Pflegefall. Anspruch auf Pflegeleistungen haben Deutsche jedoch nur dann, wenn sie innerhalb der vergangenen zehn Jahre mindestens acht Jahre am Stück Beiträge eingezahlt haben. Je länger ein Nomade sich also im Ausland aufhält, desto höher ist das Risiko im Pflegefall keine adäquaten Leistungen in Anspruch nehmen zu können.
Fazit: So verlockend die Vorstellung auch sein mag, frei von den Zwängen deutscher Bürokratie und Arbeitgeber in hippen Metropolen oder an schönen Stränden Geld zu verdienen, auch das Ausland ist kein rechtsfreier Raum. Selbst das digitale Nomadentum bringt Verpflichtungen mit sich, denen niemand auf Dauer entkommen kann. Zudem ist das Fundament der sozialen Absicherung umso kleiner, je länger der Auslandsaufenthalt dauert, so dass digitale Nomaden spätestens im Alter Einbußen bei der Versorgung in Kauf nehmen müssen, sofern sie nicht anderweitig finanziell vorgesorgt haben.
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