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Abenteuer

Extreme Routine

Fotos: Richard Gress

In wirklichen Extremsituationen reagieren viele Menschen panisch und mit Todesangst, manche neigen sogar wegen des Stresses zu völlig irrationalen Handlungen. Andere wiederum können sich durch die große Anspannung kaum noch bewegen, verharren sozusagen in einer Schockstarre. Es gibt Personen, die es schaffen ruhig und besonnen zu bleiben und es gibt die, die bis zum Schluss nicht einmal wissen, dass sie in einer Extremsituation sind.

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Richard Gress

Dokumentarfilmer

Wie man selbst reagieren würde, weiß man erst hinterher. Unvorhergesehene Ausnahmesituationen kann man nicht eins zu eins simulieren oder trainieren. Es wäre logischerweise immer von Vorteil in gefährlichen Momenten cool zu bleiben und alle möglichen Problemlösungen analytisch durchzudenken, aber das gelingt nur selten.

Durch meine Erfahrungen in abgelegenen Wildnisgebieten habe ich allerdings erkannt, dass man sich mit der Zeit sehr gut an Gefahrensituationen und eine andauernde Bedrohungslage gewöhnen kann. Für uns Menschen aus der Zivilisation wirkt die Wildnis einschüchternd. Man hat das Gefühl, man müsste ständig in Alarmbereitschaft sein. Abenteuerbücher und Extrem-Shows verstärken diesen Eindruck. Überall lauern Gefahren und man ist permanent am Limit.

Wahr ist, dass das Leben in Wildnisgebieten sehr viel riskanter ist als in der Zivilisation. Doch wenn man längere Zeit dort verbringt, kann man sich nicht ständig über sämtliche Risiken den Kopf zerbrechen. Man würde im Laufe von Wochen und Monaten durchdrehen. Während meiner Aufenthalte bei Naturvölkern ist mir klar geworden, dass die Einheimischen zwangsweise gelernt haben mit potentiellen Gefahren umzugehen und deshalb in Extremsituationen erstaunlich ruhig zu bleiben.

In der Zivilisation versuchen wir sämtlichen Gefährdungen tunlichst aus dem Weg zu gehen. Wir streben nach der absoluten Sicherheit und verlernen mit extremen Risiken klar zu kommen. Obwohl unser Leben in der Zivilisation weitaus sicherer ist als das Leben von Angehörigen der verschiedenen Stämme, sind wir weitaus ängstlicher. Vielleicht auch, weil es die absolute Sicherheit nicht geben kann, jedenfalls langfristig.

Nicht jeder von uns hat die Möglichkeit für ein paar Wochen in die Wildnis zu verschwinden um uralte Überlebensinstinkte zu reaktivieren. Aber mal raus zu gehen und ein paar Herausforderungen zu meistern, ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Auch bei kleinen alltäglichen Wanderungen können Gefahren lauern.

Es gibt die, die panisch werden, die, die schockgefrieren, die, die ruhig bleiben und die, die bis zum Schluss nicht einmal wissen, dass sie sich gerade in eine Extremsituation hineinmanövrieren. Ich persönlich gehöre leider zur letzten Kategorie.

Vor einigen Jahren war ich in Alaska unterwegs um zu fotografieren. Ich hatte einen Rucksack mit Kletterausrüstung dabei und folgte einen Pfad der auf einen hohen Bergkamm führte. Oben angekommen wurde ich mit einem großartigen Ausblick belohnt. Mich allerdings störten einige Blätter und Büsche im Bildausschnitt. Also verließ ich den Pfad, legte meinen Rucksack samt Kletterseil ab und sprang über die Felsen wie eine junge Schneeziege. Nach einigen hundert Metern gelangte ich an den perfekten, freien Ort um ein Foto zu machen. Fantastisch! Nach getaner Arbeit drehte ich mich um und erkannte meinen Fehler.

Ich war, ohne darüber nachzudenken, auf einen Felsvorsprung gesprungen der etwa 60, 70 Zentimeter tiefer lag als der eigentliche Bergkamm. Der Sprung nach unten war kein großes Problem, doch nun viel mir auf, dass ein Sprung nach oben unmöglich war. Ringsherum ging es mindestens 20 Meter steil bergab.

Eine peinliche und prekäre Lage, in die sich schon mehr unvorsichtige Personen gebracht haben, als man denken würde. Wenn man nicht alleine ist, Handyempfang hat oder in einem Gebiet unterwegs ist, in dem immer wieder Menschen vorbei kommen ist es kein großes Problem. Dann bekommt man Hilfe. Doch in meinem Fall musste ich Free-Solo nach unten klettern, soweit es ging. Die letzten drei Meter war ich gezwungen durch ein dichtes Gebüsch zu springen und sah hinterher aus als hätte ich mit einem Puma gekämpft. In meinem Fall ging es glimpflich aus, aber es sind oft solche kleinen augenscheinlich unbedeutenden Fehler die im Chaos enden.

Wenn man schwierige, anspruchsvolle Routen klettert ist man in der Regel hochkonzentriert. Dagegen passieren gerade bei den einfachen, alltäglichen Passagen die meisten Fehler. Zuviel Routine kann manchmal ebenso zum Problem werden wie die totale Panik.

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