Abenteurer Reinold Messner spricht im Interview über seine Expeditionen, die Nomaden in der Mongolei und erklärt, warum die Antarktis der schönste Ort der Welt ist.
Wann und warum haben Sie sich für ein Leben als Abenteurer entschieden?
Geträumt habe ich schon mit 15, 16 Jahren davon. Konkret ist es dann aber erst mit 26 Jahren geworden.
Wie kam es dazu?
Schon in meiner Kindheit bin ich gern auf Berge gestiegen, das hat sich in der Pubertät gesteigert und gesteigert. Als sich mir dann die Möglichkeit bot, mehr daraus zu machen, habe ich sie wahrgenommen und meine Träume auch gelebt. Danach habe ich mein ganzes Leben lang nichts anderes mehr gemacht, als Träume und Ideen in die Tat umzusetzen.
„Ich bin immer dorthinn gegangen, wo die Welt noch Welt geblieben ist.“
Was hat Sie besonders an den sehr kalten Regionen wie Arktis, Antarktis, Grönland fasziniert?
Nachdem ich als Bergsteiger in den Alpen angefangen habe und dann immer tiefer und weiter in die großen Höhen ging, wo die Kälte ja ein Teil der Expeditionen darstellt, war es für mich folgerichtig, auch in die Antarktis und die Nordpolregionen zu gehen. Aber ich habe ja auch Wüsten durchquert, wo es am Tag warm und heiß und in der Nacht kalt und eisig sein kann. Später habe ich fast alle großen Sand- und Eiswüsten durchquert.
Also haben Sie immer die Extreme gesucht?
Sagen wir es mal so: Ich bin immer dorthin gegangen, wo die Welt noch Welt geblieben ist. Ich wollte immer mehr als nur das Extreme, wollte nicht immer nur der Abenteurer sein, der auf den höchsten Gipfel will oder nur ins Herz der Antarktis oder zum Nordpol. Ich bin neugierig, jemand, der indigene Populationen kennenlernen will. Quasi bin ich ein horizontsüchtiger Wanderer.
Kommen wir zur Gobi-Wüste. Wann und warum haben Sie sich das erste Mal für eine Expedition in die Mongolei entschieden?
Nach den 14 Achttausendern, die ich bestiegen hatte, wollte ich 1986 in die Mongolei gehen. Leider war das damals nicht möglich.
Warum?
Die chinesische Gobi war nicht zugänglich. Zwischen China und der Mongolei geteilt, war die Gobi tabu und man durfte da nicht hin. Hinzu kam, dass in der Mongolei die Sowjets an der Macht waren, und dadurch war das Land unerreichbar für einen Westler. Dadurch war mir eine Expedition in die Mongolei erst nach der Wende möglich, als diese für jeden zugänglich wurde.
„Man geht quasi durch ein zerfallenes Gebirge, was sich anfühlt wie das Ende des Lebens.“
Was hat Sie an der Mongolei fasziniert?
Ganz klar: die Gobi-Wüste. Sie ist eine der größten Wüsten der Erde. Früher war es eine Bergkette, die im Laufe der Jahrmillionen zerbröselt ist. Man geht quasi durch ein zerfallenes Gebirge, was sich anfühlt wie das Ende des Lebens.
Welche Begegnungen haben Sie vor Ort am meisten bewegt?
Bewegt haben mich am meisten die Menschen. Von Anbeginn bis zum Ende der Durchquerung bin ich von Jurte zu Jurte gegangen, wo Nomaden leben, die mit ihren Tieren herumziehen. Sie leben an Wasserstellen und haben Essen. Sobald ich also Nomaden in der Wüste fand, war das Unterwegssein um ein Vielfaches leichter. Weil ich versorgt war. Schwierig wurde es in Abschnitten, wo es kein Wasser und keine Nomaden gab.
Und was haben Sie dann gemacht?
Wasser und Essen mitgetragen. Doch dies hat die Expeditionen natürlich erschwert. So war ich immer sehr froh, wenn ich auf Nomaden traf. Das sind sehr gastfreundliche, kooperative Menschen. Denn auch sie, die Nomaden, reisen, sind auch auf die Hilfe von anderen angewiesen, und diese Abhängigkeit auf der einen Seite führt zu einer großen Gastfreundlichkeit auf der anderen Seite.
Heute begleiten Sie Expeditionen, zum Beispiel mit Hapag Lloyd – wie kam es dazu?
Ich bin ein Erzähler geworden. Ich halte Vorträge auf großen Bühnen, rede vor Führungskräften und Politikern. Ich erzähle im Grunde meine Erfahrungen – spreche über das Leben und über Regionen dieser Welt, in die die meisten Menschen niemals hinkommen.
Aufgrund dieser Erfahrungen werde ich auch häufig angesprochen, ob ich Gruppen führen kann. Das mache ich inzwischen gern. Heute begleite ich hauptsächlich Schiffe. Meine nächste Reise geht auch wieder in die Antarktis. Dort erzähle ich den Reisenden an Bord über die Historie und Eroberung der Antarktis. Ich spreche im Grunde über das, was sie auf dem Schiff nicht sehen.
„Um die Welt im Ganzen zu begreifen, zu verinnerlichen und zu verstehen, braucht es das Flugzeug oder das Schiff.“
Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Die Reisenden, die eine Passage gebucht haben, können mit mir Erlebnisse teilen, die sie sonst nicht haben könnten. Denn ich bin ja nicht nur mit dem Schiff an den Rand der Antarktis gefahren, ich bin durchgegangen und kann den Reisenden so erzählen, wie es aussieht, wie es sich anfühlt – und so werden sie im Geiste ein Teil von diesem Erlebnis. Aus diesem Grund mache ich das, um meine Erfahrungen zu teilen, sie in den Köpfen der Menschen wieder lebendig werden zu lassen.
Welche fünf Regionen sollte jeder Leser einmal im Leben bereist haben?
Die schönste Reise, die es auf der Welt gibt, bleibt eine Schiffsreise in die Antarktis. Pinguinkolonien mit 400.000 Tieren zu sehen, Orcas live zu sehen, die reine unberührte Eislandschaft – so etwas Erhabenes und Aufregendes habe ich nirgendwo sonst auf der Welt erlebt.
Für mich auf Platz zwei ist Tibet. Patagonien ist auch eine Reise wert – allerdings muss man sich sehr warm anziehen. Aber auch die Mongolei gehört für mich zu den schönsten Zielen der Welt. Zudem gibt es Hunderte weitere Destinationen, die ich hier nennen könnte. Um die Welt im Ganzen zu begreifen, zu verinnerlichen und zu verstehen, braucht es das Flugzeug oder das Schiff. Die schönste Berglandschaft auf der Erde sind übrigens die Dolomiten.